Mit Spaß und Freude nach Nauen

Es war für alle etwas ungewohnt, zu einem Heimspiel durch halb Brandenburg zu fahren ins doch recht ferne Nauen. Und doch waren wir uns im Vorfeld alle einig, dass wir spielen wollen, auch wenn es zusätzliche Fahrerei bedeutete. Wir freuten uns aufs Schachspielen, auf die Partien und auf den gemeinsamen Wettkampf.

„Schach ist keine Kontaktsportart.“

Deutscher Olympischer Sportbund (Quelle)

Was in Ludwigsfelde nicht möglich war, ging in Nauen ohne Probleme: Schach spielen. Wir wurden von den Nauener „Gästen“ in einer Bibliothek empfangen, in der inmitten von bunten Büchern und vollgepackten Bücherregalen die Spieltische mit den Schachbrettern aufgebaut waren.

Eine sehr literarische, inspirierende Atmosphäre – Schachbücher allerdings waren nicht zu sehen.

Eröffnungen wie aus dem Lehrbuch

Zu Beginn verlief der Wettkampf noch recht ereignislos. Es wurden die Eröffnungen gespielt, aber noch war an keinem Brett ein erwähnenswerter Vor- oder Nachteil zu erkennen: Man spielte Theorie, mal mehr, mal weniger genau, aber niemand ging ins Risiko.

Erst nach etwa anderthalb Stunden war an Brett 6 bei Thilo ein Stellungsvorteil zu erkennen aufgrund vieler kleiner positioneller Vorteile und einem verkorksten Königsflügel bei seinem Gegner.

Zeitgleich entwickelte auch Wolfgang Druck auf seinen Gegner, nachdem dieser die weißen Felder am Damenflügel unnötig schwächte. Wolfgang tauschte Figuren und schob seinen Bauern nach vorne: Nun hatte er einen gedeckten, vorgerückten Freibauern inmitten der gegnerischen Stellung und damit einen klaren Vorteil.

Auch an Brett 1 verlief bis dahin alles nach Plan: Der Gegner spielte passiv, wählte den falschen Plan und bislang stand Rafael mit Schwarz völlig ungefährdet auf potenziellen Vorteil.

Völlig unvermittelt gab es die erste Entscheidung des Tages

Ganz unerwartet wurde an Brett 5 die erste Partie entschieden.

Noch einige Züge zuvor hatte Frank versucht, Verwicklungen zu kreieren und eine einfache Abwicklung durch Figurenabtausch zu vermeiden. Alles für den Mannschaftssieg – doch dadurch geriet er in eine etwas passive Stellung und der jugendliche Gegner entwickelte Aktivität.

Dann übersah Frank ein für seinen Gegenspieler gewinnendes, ablenkendes Springeropfer auf g5. Zunächst hatte er noch „Glück“, dass sein Gegner „nur“ das Material mitnahm und nicht sofort mattsetzte. Doch mit Turm und Springer gegen die Dame war das Endspiel nicht zu halten.

Turmendspiele sind immer schwierig

Die nächste Entscheidung bahnte sich am ersten Brett an. Rafael hatte sein strategisches Ziel erreicht und ein grundsolides Turmendspiel mit einem Mehrbauern auf dem Brett. Zudem war der Aufbau des Gegners zweifelhaft und ein Gewinn gemäß Turmendspieltheorie schien möglich.

„Turmendspiele sind nicht immer remis, aber Turmendspiele sind immer schwierig.“

Rafael redet sich raus

Allerdings wählte auch Rafael den falschen Plan und verzettelte sich. Das zunächst noch gewinnbare Endspiel verflachte, und als der Gegner den Mehrbauern zurückzugewinnen drohte, sah Rafael keinen Gewinnweg mehr. Es wurden Bauern getauscht und am Ende verblieben nur noch Könige und Türme auf dem Brett – Remis.

Weiß am Zug hält Remis. Aber was passiert nach dem Turmtausch?

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Die richtige Antwort ist, dass Schwarz das Bauernendspiel gewinnt. Der Partiezug 36.Th7 hält hingegen mühelos remis.

Starke Freibauern führen zum Sieg

Etwa zur gleichen Zeit brach Wolfgang am achten Brett den letzten Widerstand seines Gegners. In den Verwicklungen zuvor hatte Wolfgang seine starken Freibauern behalten und dafür sogar die Qualität geopfert – ein nur geringes Opfer angesichts so starker Freibauern. Anstatt die Qualität zurückzugeben, griff sein Gegenspieler fehl, öffnete die Diagonale gegen den eigenen König und Wolfgang vollendete seine schöne Partie durch entscheidenden Materialgewinn.

Damit stand es 1,5:1,5 und die große Frage war, wie es an den verbliebenen Brettern aussah.

Auch die Zeit spielt mit

„Die Zeitnot ist dann wertvoll, wenn man sie nicht hat.“

Aus „Faustregeln im Schach“ auf schachfeld.de, beigetragen von Gast8507

An Brett 7 hatte Reiko nach einer lange ausgeglichenen Partie inzwischen entscheidenden Vorteil: Mehr Material, mehr Figurenaktivität, einfach alles mehr. Ohne Mühe konnte er diesen Vorteil in einen vollen Brettpunkt ummünzen.

Dafür war Michel an Brett 3 unterdessen in arge Zeitnot geraten. Aus der Eröffnung heraus war er in eine passive, schwierig zu spielende Stellung ohne strategische Pluspunkte geraten. Obwohl er stetig nach Möglichkeiten suchte, sich zu befreien und seinem Gegner Probleme zu bereiten, gelang dies nicht: Sein noch sehr junger Gegenspieler aus Nauen hielt die Stellung zusammen und die Bedenkzeit für Michel verrann zusehends, ohne dass er seine eigene Stellung verbessern konnte.

Mit schließlich unter zwei Minuten für noch über 10 Züge wurde es langsam kritisch. Unter zunehmendem Zeitdruck verschätzte sich Michel – und ihm blieb nur die Aufgabe. Wieder stand es unentschieden.

Gute Stellungen bringen den Gesamtsieg

Allerdings sah es an den verbleibenden Brettern gut für uns aus. Kurt hatte seine Stellung kontinuierlich verbessert, kleine positionelle Vorteile gesammelt und einen Mehrbauern gesichert – klugerweise nicht in einem Turmendspiel. Mit diesem Vorteil in der Hand ließ er nichts anbrennen und auch sein Gegner sah keinen Ausweg mehr.

Auch Thilo konnte seine gute Stellung verwerten. Schon seit geraumer Zeit stand sein Gegner eingeengt und konnte seinen König nicht rochieren, ohne dafür Zugeständnisse an Thilo machen zu müssen: Hätte er kurz rochiert, dann hätte Thilo starken Angriff gehabt, und wenn er stattdessen lang rochiert, bekommt Thilo einen starken Springer und gewinnt langfristig Material.

In der Folge vermied Thilos Gegner die kritischen Varianten und wickelte schließlich aus passiver Stellung heraus in eine Stellung mit Turm und Läufer gegen die Dame ab. Das war nicht mehr zu verteidigen.

„Und dann war seine Zeit weg.“

Thilo erklärt seine Partie

René an Brett 2 hatte lange eine sehr ausgeglichene Stellung auf dem Brett mit wahrscheinlich nur minimalem Vorteil. Aber man sollte Renés Tricks nicht unterschätzen! Auch mit einem Remis hätte er den Mannschaftssieg bereits perfekt machen können, aber warum nur Remis spielen, wenn man auch gewinnen kann? Da ist selbst ein ungleichfarbiges Läuferendspiel für René kein Hindernis (und wahrscheinlich nicht einmal ein Endspiel, bei dem nur noch Könige und Türme auf dem Brett sind).

So gewannen wir bei unserem „Heimspiel“ in Nauen insgesamt mit 5,5 zu 2,5.

Blick auf den Tabellenstand

Mit 4 Mannschaftspunkten aus 2 Spielen haben wir bislang die Maximalausbeute erzielt und die Tabellenführung gegen einen Mitkonkurrenten verteidigt.

Pl. Mannschaft MP BP Berl.Wrt.
1. Ludwigsfelder Schachclub I 4/4 13 55
2. ESV Kirchmöser 4/4 12 49.5
3. Schach-Club Wittstock 4/4 11.5 47
4. SV Hellas Nauen II 2/4 9.5 44
5. SV Grün-Weiß Niemegk 2/4 8 39
6. SG Lok Brandenburg II 1/4 6 26
7. USV Potsdam III 1/2 4 20
8. Schachclub Oberkrämer 0/2 3 15.5
9. SV Werder I 0/4 2.5 12.5
10. SV Empor Schenkenberg 0/2 1.5 9.5
11. Schachclub Havelland 0/2 1 6

Hinweis: Einige Mannschaften haben weniger oder mehr als die bislang offiziell gespielten zwei Runden gespielt. Die hier dargestellte Tabelle ist die offizielle Tabelle nach dem zweiten Spieltag, wie sie auf der Ligaseite nachzulesen ist.