Nach den für mich schwächsten Ergebnissen seit nunmehr drei Jahren – den Turnieren in Potsdam und Wittstock – hätte ich ja jeden Grund gehabt, das anschließende Turnier in Schweinfurt nicht mitzuspielen. Aber Aufgeben ist keine Option und außerdem freute ich mich irgendwie auf das Schweinfurter Open. Ich hatte im Vorfeld ein gutes Gefühl.
Klar war nur, dass diesmal das BVB-Trikot zuhause bleiben würde, mit dem man nicht gewinnen konnte.
Das 31. Schweinfurter Open
Das Schweinfurter Open ist ein 7-Runden-Turnier mit Fischer-Bedenkzeit, also mit Inkrement. Gespielt wurden zwei Runden am Donnerstag (Fronleichnam ist in Bayern ein Feiertag), eine am Freitag (weil Arbeitstag/Brückentag) und je zwei weitere Runden am Samstag und Sonntag. Organisatorisch bedeutete das für mich zwei Nachtfahren hin und zurück, aber hey, was tut man nicht alles fürs Schach!
Zeitgleich zum Schweinfurter Open findet jedes Jahr das Schweinfurter Volksfest statt, ein klassischer Rummel. Außerdem gibt es Minigolf, eine wirklich schöne Innenstadt, den obligatorischen Skatepark neben dem Schachclub (und eine Miniramp ein bisschen weiter weg) sowie viele weitere Freizeitmöglichkeiten in der Nähe. Das Schweinfurter Open wäre damit durchaus auch für einen Besuch mit Partner oder Partnerin geeignet.
Schweinfurter Freundlichkeit und Schweinfurter Gezwicktes
Vorweg: Die Menschen in Schweinfurt sind echt freundlich! In all den vielen Jahren, die ich jetzt schon Schach spiele, bin ich noch nie bei einem Turnier so freundlich begrüßt worden wie in Schweinfurt. Dasselbe passierte beim Check-In im Hotel. Noch nie wurde ich derart herzlich empfangen! Die Schweinfurter sind in dieser Hinsicht mehrere Level über dem Standard.
Eine Bratwurst im Brötchen nennt man in Schweinfurt übrigens „Schweinfurter Gezwicktes“. Weil die Bratwurst im Brötchen so eingequetscht liegt, dass es zwickt. Oder so. Ich gebe nur weiter, was man mir erzählt hat.
Schweinfurter Autos
Nicht so angenehm wie die Schweinfurter Freundlichkeit ist allerdings die Fahrweise der Menschen, die in und um Schweinfurt Auto, Motorrad und Cabrio fahren. Das ist Wahnsinn! Immerzu quietschende Reifen, Beschleunigen auf 100 im ersten Gang, hupen und gegenhupen – man kam sich vor, als würden direkt vor dem Spiellokal illegale Autorennen ausgetragen (und wahrscheinlich war das auch der Fall).
Mich tröstete, dass ich während der Partien auf Ohrstöpsel zurückgreifen konnte und somit gefühlt nur 80 Dezibel bei mir durchkamen. Für meine Gegner war das jedoch teils echt hart.

Eine Auftaktanalyse für den Rest des Turniers
Die Auftaktpartie am Donnerstagvormittag verlief sehr unspektakulär, doch interessanter und auch wesentlich komplizierter wurde es am Nachmittag gegen einen theoriesicheren Jugendlichen.
Es gibt nämlich Situationen, die man am Schachbrett nicht unbedingt herbeisehnt. Zum Beispiel wenn man eine seltene Eröffnungsvariante spielt mit dem Ziel, den Gegner frühzeitig aus seinen Kenntnissen herauszubringen, und dieser dies sogleich treffsicher kommentiert mit den Worten: „Ah ja, das So-und-so-Gambit.“
Er spielte dagegen die kritischste Hauptvariante und kam erst wieder in Schwierigkeiten, als ich ein gefährliches, spekulatives Opfer probierte. Allerdings verteidigte er recht gut und vielleicht verpasste ich auch die ein oder andere Möglichkeit. Schließlich musste ich den Notausgang Dauerschach nehmen.
In der anschließenden Analyse besprachen wir diese Variante sehr ausgiebig und auch ein paar andere typische Motive, die im Vorfeld passieren konnten. Amüsanterweise spielte diese Analyse während des Turniers eine wiederkehrende Rolle.
Selbe Eröffnung – nun mit Schwarz
In der dritten Partie spielte ich mit Schwarz erneut gegen einen Jugendlichen. Bereits im Vorfeld wurde ich gewarnt, dass dieser sehr stark spielte – und zu meiner Überraschung wählte er dieselbe Variante, die ich tags zuvor noch selbst probiert hatte. Somit hatte ich mit der Eröffnung keine Mühe, doch im Mittelspiel wurde ich zusehends überspielt. Vielleicht mangels Erfahrung?
Schließlich bekam er seine Gewinnchancen, nutzte sie jedoch nicht, sondern opferte „fancy“ einen Läufer. Diese Konterchance nutzte ich nun selbst, wickelte ab in ein ausgeglichenes Turmendspiel und wir einigten uns auf ein Remis, über das ich am Ende dankbar sein musste. Nochmal Schwein gehabt…
Nach einem nun doch eher beschaulichen Start – und vor allem einer beschaulich gespielten dritten Partie – benötigte ich erstmal einen Frust-Döner.

Drei Punkte sind drei Punkte – egal wie
Am nächsten Tag begann das Wochenende und damit ging es gefühlt noch einmal von vorne los. Zunächst bekam ich erneut einen jugendlichen Gegner – der genau den taktischen Fehler machte, den mein zweiter Gegner und ich am ersten Tag noch ausgiebig besprochen hatten.
Damit hatte ich drei Punkte aus vier Partien. Zwar gegen nominell wesentlich schwächere Gegner, aber so langsam dämmerte mir, dass mindestens einer davon überperformen wird, vielleicht gar zwei. Und drei Punkte waren drei Punkte. Ich war wieder vorne mit dabei, und wenn ich noch ein paar Punkte holte, fragt am Ende keiner mehr, wie die Punkte zustandekamen. Also: Hinein ins Vergnügen!
Remis in der Hand, Sieg auf dem Dach
Dumm nur, dass mein fünfter Gegner ein FM war. Auf der anderen Seite war ich mit dem Ergebnis der Eröffnung absolut zufrieden. Ich überlegte, dass meine Wertungszahl und meine Ergebnisse auf dem Papier vermutlich wesentlich besser ausfallen würden, wenn ich in solchen Situationen ein Remis nehmen würde.
Doch natürlich nahm ich nicht das Remis, sondern spielte weiter, und natürlich verdaddelte ich wieder einmal die aussichtsreiche Stellung. Diesmal verpasste ich den richtigen Moment, um die Stellung zu transformieren und den Vorteil des Läuferpaares gegen einen Isolani einzutauschen. Ärgerlich!
Unmöglich zu berechnen
Damit ging es in den letzten Spieltag. Wie bei so vielen Turnieren üblich, beginnt der letzte Tag früher als sonst, was in mehrerer Hinsicht unpraktisch ist: Man benötigt ohnehin schon mehr Zeit, weil man zusammenpacken und auschecken muss, zusätzlich muss man früher am Spielort sein. Dazu kommt, dass dies mitunter mit den Frühstückszeiten des Hotels kollidiert. Freundlicherweise hat sich jedoch die nette Dame, die das Frühstück anrichtete, bereiterklärt, das Frühstück ausnahmsweise früher anzurichten als sonst. Darüber habe ich mich sehr gefreut!
In der Partie konnte ich schnell einen Vorteil geltend machen, weil die Figuren des Gegners sich gegenseitig im Weg standen. Dann aber ließ ich mich auf Gegenspiel ein und unterschätzte dieses möglicherweise. Wir gerieten in eine sehr komplexe, hochgradig taktische Stellung mit sehr breitem Variantenbaum. Irgendwann entschied ich: Wenn ich das nicht berechnen kann, spekuliere ich einfach darauf, dass mein Gegner das erst recht nicht hinkriegt – und ich spekulierte richtig.
Er hatte definitiv seine Chancen, doch im Turm- und Läuferendspiel mit einem Mehrbauern war ich gewillt, noch lange, lange zu kneten – zumal der natürlich aussehende Zug ein schlimmer Patzer war.
Weiß entschied sich für 32. Tb7 – keine gute Idee!
Hoffnung? Hoffnung!
Nun war nur noch eine Partie zu spielen. Meine Gegnerin war ohne DWZ und hatte schon einige starke Gegner besiegt. Anhand der bisherigen Ergebnisse schätzte ich ihre Spielstärke auf etwa mein Niveau. Allerdings konnte sie das in dieser Partie letztlich nicht zeigen.
Ich schöpfte frühzeitig Hoffnung, denn in ihrer gespielten Eröffnung kannte ich mich hervorragend aus. Dadurch erhielt ich einen deutlichen Vorteil, wenngleich zunächst nur positioneller Natur. Aber die Stellungskenntnis begünstigte mich sehr und ich konstruierte Taktiken zu meinen Gunsten. Meine Gegnerin konnte diese nicht vermeiden, übersah vielleicht das initiale Turmopfer, und so gewann ich mittels Ablenkung zunächst einen vollen Bauern. Nur wenige Züge später erlaubte sie eine zweite Ablenkungstaktik zum Turmgewinn – Sieg!
Damit waren es also nun 5 Punkte aus 7 Partien: Ein zufriedenstellendes Ergebnis.

Fazit
Am Ende reichte es für Platz 13 aus 83 Teilnehmern. Mit dem Ergebnis bin ich insgesamt zufrieden. Ich habe gegen 5 Jugendliche und einen FM spielen müssen und trotzdem eine gute Punktausbeute gehabt. Einer meiner Gegner hat wie erwartet deutlich über seiner DWZ gespielt, wodurch sich auch meine Wertungszahl wieder leicht verbessert hat.
Neben dem Sportlichen war Schweinfurt eine wunderschöne Stadt und die Menschen ausgesprochen freundlich und hilfsbereit. Richtig toll!
Ich freue mich darauf, wiederzukommen. Vielleicht kommt ja dann der ein oder andere Ludwigsfelder mit!